„Eine Führungskraft muss authentisch sein!“ Dieser Satz begegnet uns oft in Seminaren und Gesprächen, in der Literatur, bei Vorträgen erfolgreicher Karriere-Gurus, in Anforderungsprofilen und Stellenausschreibungen – und wir hören ihn von vielen Führungskräften.
Doch was ist eigentlich eine authentische Führungskraft? Und warum ist es scheinbar wichtig „authentisch“ zu sein? Wir sind neugierig geworden und haben die Authentizität mal genauer unter die Lupe genommen.
Wir fragten Menschen nach Synonymen für Authentizität. Am häufigsten fielen die Worte „ehrlich“, „geradlinig“, „unverfälscht“ und „sich selbst treu“. In Seminaren beschrieben unsere Teilnehmer eine authentische Führungskraft als jemanden, der „sagt, was er denkt“, „so ist, wie er ist“ und „sich nicht verbiegt“. Was bedeutet das also für den Unternehmenskontext? Darf oder soll eine Führungskraft den Mitarbeitern gegenüber immer ihre ehrliche Meinung äußern? Ist es in Ordnung, wenn sie Aufgaben und Rollen nicht erfüllt, weil sie „nicht ihr Ding sind“ und sie sich nicht in ihrer Individualität „verbiegen“ möchte? Darf sie sich frei ihre Umgebung so gestalten, wie sie am besten zu ihren persönlichen Anforderungen passt, unabhängig von den Bedürfnissen Anderer? Schließlich fühlt sich diese Führungskraft authentisch - wie von so vielen gewünscht und gefordert. Doch Unternehmensleitung, Kollegen und Mitarbeiter würden an ihr wohl hoffnungslos verzweifeln.
Authentizität ist kein Freifahrtschein für persönlichen Stillstand und emotionale Brutalität gegenüber Anderen. „Ich bin eben so!“ ist der leichteste Weg aus schwierigen Situationen, aber nicht der beste. Er stellt die Person selbst in den Mittelpunkt, aber nicht den Erwachsenen in seiner Rolle als Führungskraft, seine tatsächlichen Aufgaben und die Ziele des Unternehmens.
Authentizität ist ein Prozess, der ein hohes Maß an Selbstreflexion, Empathie und Toleranz voraussetzt. Sie umfasst eine persönliche Auseinandersetzung mit Themen und Emotionen, Klarheit in eigenen Bedürfnissen und Ansichten sowie einer aufrichtigen Identifikation mit der eigenen Führungsrolle und den damit verbundenen Aufgaben. Der Wille zur Weiterentwicklung, die Empathie und Rücksichtnahme gegenüber Anderen und gleichzeitig der unverstellte Blick auf die eigene Individualität entwickeln sich auf diesem Wege Hand in Hand.
Wir haben während unserer Arbeit auch entdeckt: beim Thema Authentizität geht es weniger um „Ehrlichkeit - ja oder nein?“ oder das ungehemmte Ausleben individueller Charakterzüge. Hinter dem Wunsch nach einer „authentischen Führungskraft“ steckt ein Bedürfnis: Mitarbeiter suchen nach einem Vorbild, nach Orientierung und Vertrauen, die Unternehmensleitung sucht nach Loyalität und Professionalität, Kollegen nach Verlässlichkeit, Transparenz und Unterstützung. Und die Führungskraft selbst? Sie hat die Sehnsucht „Mensch sein zu dürfen“, möchte sich selbst gegenüber ehrlich sein und somit nicht noch eine weitere Rolle zu all den anderen erfüllen müssen. All diese verschiedenen Bedürfnisse verstecken sich hinter dem lauten Ruf nach Authentizität.
Diese Erkenntnis eröffnet neue Gedanken und Möglichkeiten, sich in seiner eigenen Führungsrolle weiter zu entwickeln. Wie gewinne ich das Vertrauen meiner Mitarbeiter? Wie sieht mein persönliches Führungsverständnis aus? Lebe und vermittle ich die Unternehmenswerte? Wie gehe ich konstruktiv mit den Erwartungen und Ansprüchen um, die an mich gestellt werden? Seminare und individuelle Coachings können dabei eine wertvolle Unterstützung sein, seinen persönlichen, gesunden Weg zur eigenen Authentizität zu finden – und diese immer wieder neu zu entdecken.